Reisebericht 2016
Ein Israel-Tagebuch
von Runold Jacobskötter
Sonntag, 06.11. (Anreisetag)
Abflug, alles läuft wie geplant, Umsteigen in München kein Problem.
Ankunft in Tel Aviv im Hellen, Weiterfahrt nach der zentralen Passkontrolle mit Doku-Visa im Dunkeln. Im Hostel in Jerusalem eine Überraschung: a. Zimmer, b. Atmosphäre, c. Essen (!?).
Anschließend ein Gespräch mit Frau …, … Theologin, … und ihrem Mann. In dem Gespräch wird deutlich, wie gespalten und vielschichtig die Einwohnerschaft von Israel und Palästina ist:
... Jüdische Israelis, arabische Israelis (die sich aufteilen in Christen und Muslime). Araber werden alle Nachfahren der Bewohner benannt, die in Israel bereits vor der Gründung des Staates Israel hier lebten und nicht aus Europa kamen. Als Palästinenser muss man die Einwohner des Gazastreifens und der Westbank sehen, die nach dem 6-Tage-Krieg im Land blieben oder aus Israel in die Westbank gezogen waren. Dazu kommen die geflüchteten Palästinenser, die seit Jahrzehnten in den benachbarten Staaten leben.
Die Palästinenser in Israel haben derzeit große Schwierigkeiten, sich für eine Zukunft zu entscheiden: Politisch betrachtet ist der Staat Israel etwas, das abgeschafft gehört. Individuell und persönlich haben die verantwortlich bewussten Menschen das gleiche Ziel wie überall, für sich und ihre Familien den Wohlstand zu mehren, was aber nur mit Arbeit für die oder bei den Israelis gelingt, da sie im Nahen Osten ein neues Wirtschaftszentrum etablierten. ...
Die 160 000 Christen in Israel, ebenfalls arabischer Herkunft, fallen nicht weiter ins Gewicht, obwohl auch sie bereits seit den Römern hier leben. In den palästinensischen Gebieten nimmt ihre Zahl ab, da sie auf Grund von Repressalien „verschwinden“, auswandern.
... Normalisierung in Bezug auf Israel bei den Palästinensern bedeutet inzwischen einen Straftatbestand. Ein Beispiel geben palästinensische Arbeiter einer Gemeinde in Israel: Sie wurden vom Bürgermeistert eingeladen am Laubhüttenfest teilzunehmen, mitzufeiern. Als sie zu Hause ankamen, wurden sie verhaftet und der Normalisierung angeklagt: Gemeinsam arbeiten: ja, gemeinsam feiern: nein...
Montag, 07.11.
Mit dem Besuch des Tempelbergs haben wir unsere ersten Schritte durch Jerusalems Altstadt getan. Die Kontrolle zum Aufgang des Tempelbergs verlief zügig aber genau. Die Warnungen unserer Reiseleitung hatten die meisten nur kleine Taschen und Rucksäcke mitnehmen lassen. Der Tempelberg selber ist nicht so besonders beeindruckend, viel Platz, ein wenig Moschee, die nicht betreten werden darf oder der man sich auf maximal 10 Meter nähern darf (Al Aksa)...
Vom Tempelberg ging es zur Kirche St. Anna, von franz. Mönchen betreut, wo es Hinweise zur Wasserversorgung mit Hilfe von Zisternen (Bethesda) gab. In ganz Jerusalem gab und gibt es nur eine Wasserquelle, so dass Wasser durch wasserführende Tunnel nach Jerusalem zu Zisternen geleitet worden war.
Von St. Anna folgten wir der Via Dolorosa von der ersten Station des Leidenswegs Christi bis zur letzten Station, der Grabeskirche. Von dort ging es zum Cardo von Jerusalem, der ehemaligen Einkaufszeile von Jerusalem zu Zeiten der römischen Besatzung. Von dort war es nicht weit zur Klagemauer, am Fuße des Tempelbergs...
Am Abend gab es ein Gespräch mit Dr. … und ihrem Gatten. Dr. …. Sie ist als Kunsthistorikerin an einer Universität … derzeit an alten deutschen Texten interessiert und studiert sie hinsichtlich des Bildes über das Judentum und die benannten religiösen Riten in Deutschland. Ihr Gatte ist ein pensionierter Lehrer, der heute ein Seminar zur jüdischen Literatur gibt, an einem Lehrstuhl einer arabischen Hochschule. Im Rahmen der Ausbildung zum Lehrer müssen die Studenten das Fachgebiet studieren. Auf die Frage nach der Zukunft Israels konnte vor allem er aus seiner Lehrtätigkeit berichten, dass die arabischen Israelis in den Seminaren ein verstecktes Interesse an seiner Person zeigen: Wo geboren, wie waren die Lebensumstände der Eltern als Überlebende der Shoah. Sein Interesse gilt insbesondere den Schul- und Kinderbüchern, in denen die israelischen und die arabischen Darstellungen sich gegenseitig verteufeln und die Abneigung und den Hass vertiefen...
Auf die Frage nach dem Leben in Israel mit Terror und Anfeindungen antworten beide, dass man sich eingerichtet hat. Man hat die Sicherheitsvorkehren erhöht, eine Mauer zwischen Jerusalem und der Westbank, bewaffnete Kräfte verstärkt im Straßenbild. Man nimmt wahr, dass es Anschläge gibt und gab, so wie man auch mit Verkehrsunfällen umgeht. ... Die Lage in Israel ist aber aus ihrer Sicht nicht besonders gefährlich oder prekär. Es lebt sich so wie in (anderen) europäischen Metropolen. Für die Zukunft hilft nur Geduld.
Dienstag, 08.11.
Das Tagesprogramm begann mit dem Besuch des Ölbergs und der St. Georgskirche. Der Touristenrummel wird hier sehr deutlich. Die Aussicht auf die Altstadt von Jerusalem und das vermauerte Löwentor, durch das der Messias zur Befreiung der Juden schreiten soll – deshalb versuchen viele Juden auf dem Ölberg beigesetzt zu werden... Den Ölberg hinab ging es ... zum Garten Gethsemane.
Dem touristischen Rummel entfliehend ging es von dort zum Außenministerium, wo wir von Herrn …, Abteilung Westeuropa, empfangen wurden. In einem ca. zweistündigen Gespräch erläuterte er die Position Israels zu seinen Nachbarn, gegenüber Europa, vor allem aber gegenüber den Palästinensern in Gaza und auf der Westbank.... Hat man mit Jordanien und Ägypten Friedensabkommen und sogar diplomatische Beziehungen, so ist derzeit nur der Iran der einzige Staat, der Drohungen gegen Israel ausgesprochen hat. Iran ist aber auch der Staat, dessen Rolle und Bedeutung in den vergangenen Jahren zugenommen hat.
... Israel ist im Nahen Osten auf der Suche nach Partnern. „Demokratien bekämpfen sich nicht!“ Die Türkei ist ein Partner, zu dem das Verhältnis in dieser Zeit schwieriger geworden ist. Im Moment wendet sich die Türkei stärker dem politischen Islam zu, aber es bleibt bei den Handelsbeziehungen. Man spricht von kalter Normalisierung. Doch: "Jeder, der mit Israel reden will, ist herzlich willkommen."
Europa wird von den Israelis kritisch gesehen. Waren die Beziehungen zu den skandinavischen Ländern einst sehr freundschaftlich, unterstützen sie heute verstärkt die Palästinenser. Dies gilt auch für die Bürokratie in Brüssel. ...In Europa wird ein neuer Antisemitismus wahrgenommen (Großbritannien, Skandinavien und Frankreich). ...
Am Nachmittag ging es nach Yad Vashem zu einem Vortrag von …, einer Kindheitsfreundin von Anne Frank. Sie erzählte von ihrem Schicksal und ihren Begegnungen mit Anne Frank in der Zeit bis 1945. Sie war wohl die letzte, die Anne Frank bewusst im Lager Bergen-Belsen wahrgenommen hatte. Nach dem Krieg traf sie noch mehrfach den Vater Frank, der als Einziger der Familie überlebt hatte.
Nach dem Vortrag konnte die Gedenkstätte auf eigene Verantwortung besichtigt werden.
Mittwoch, 09.11.
Auf ging es nach Bethlehem zur Geburtskirche, die aus mehreren Gebäudeteilen besteht, so dass orthodoxe und katholische Christen gleichermaßen an der Geburtsverherrlichung teilhaben können. Die Mosaike im orthodoxen Teil werden gereinigt und entsprechend weiter restauriert.
Weiter ging es nach Beit Jala zu „Lifegate“, einer Einrichtung zur Ausbildung und Behandlung behinderter palästinensischer Kinder. Vom Kindergarten geht es bis zur Berufsausbildung. Viele therapeutische Maßnahmen werden durchgeführt. Diese Einrichtung wurde von einem Deutschen, Burghard Schunkert, gegründet und aufgebaut. ... Die Einrichtung lebt zu einem guten Teil von Spenden. Deshalb werden in der Einrichtung Waren unterschiedlichster Art hergestellt, um sie dann z. B. auch auf Weihnachtsmärkten in Deutschland zu verkaufen.
Am Nachmittag besuchten wir einen Siedler, …, auf der Westbank. Er kam vor über 35 Jahren aus den Niederlanden … nach Israel. Er suchte eine Wohnung im ländlichen Umfeld, wie in seiner alten Heimat. Man bot ihm an in einer Siedlung auf der Westbank zu leben, ca. 22 km von Jerusalem entfernt. Zum Schutz sind die jüdischen Siedlungen auf der Westbank wie auch andere Siedlungen umzäunt und bewacht, durch private Sicherheitskräfte. Die Westbank, ehemals Teil Jordaniens, wurde von den Israelis im 6-Tage-Krieg erobert und nach langwierigen Verhandlungen mit palästinensischen Führern in drei verschiedene Zonen eingeteilt: A, B, C.
Zone A: Verwaltung und Sicherheitsbehörden unterstehen den palästinensischen Behörden.
Zone B: Die Verwaltung wird durch die Palästinenser, die Sicherheit durch die Israelis organisiert.
Zone C: Verwaltung und Sicherheit werden durch die Israelis durchgeführt
Die Zone A, z.B. Ramallah, Hebron, Jericho aber auch Gaza, ist allgemein für jüdische Israelis gesperrt, von der israelischen Regierung aus. Die Begründung liegt in möglichen Entführungen...
Dass die Siedlung seit ihrer Gründung vor 35 Jahren auf einem kahlen Hügel das Land ansehnlicher machte, ist nicht bestreitbar. Um die Häuser herum wurden mit viel Arbeit und Wasser Kulturpflanzen angebaut und sind im Laufe der Zeit so gewachsen, dass die Anlage einem öffentlichen Park gleicht.
Im Gespräch am Abend mit …, …, wurde die Position Israels nochmals verdeutlicht und konkretisiert. Derzeit gibt es keine offiziellen Gespräche mit den Palästinensern. Man empfindet die Auswirkungen dieser Gespräche als Ohrfeigen und er nannte Gaza als das krasseste Beispiel. Aber auch die nahezu täglich aus dem Gazastreifen nach Israel abgeschossenen Raketen sind ein Beleg, dass Gespräche derzeit unsinnig sind. Die Sicherheitskräfte in Israel und in der Westbank reden und arbeiten mitunter gemeinsam, so um terroristische Angriffe zu verhindern. Denn jeder Terrorakt hat direkte Auswirkungen auf das Leben und den Wohlstand der palästinensischen Bevölkerung...
Doch sowohl 80 % der Israelis wie auch 80 % der Palästinenser würden die Festschreibung des Status quo unterstützen und ein Friedensabkommen wollen. Man hat sich eingerichtet und profitiert auf beiden Seiten von diesem nicht benannten Friedenszustand...
Donnerstag, 10.11.
In der Wüste Negev, in Beerscheba, wurde eine Anlage für „Urban Gardening“ besucht. Hier wurde demonstriert, wie die Wüste durch Arbeit und Wasser fruchtbar gemacht wird. Hier wird auf effiziente Weise versucht, Gemüse und Obst anzubauen, um so der städtischen Bevölkerung Anbaumethoden zu zeigen, so dass sie für sich ebenfalls auf kleinem Raum frische Waren selber anbauen können.
Hinzu kommt noch ein Projekt des äthiopischen Gartens und des öffentlichen Obstgartens. Der äthiopische Garten diente zum einen zur Eingliederung äthiopischer Flüchtlinge aus dem benachbarten Immigrationszentrum. Nicht nur für die Produktion bekannter Nahrungsmittel, sondern auch zur Stabilisierung des sozialen Gefüges wurde der Garten eingerichtet. Da sich Kinder schneller in eine neue Gesellschaft einleben und somit einen Wissensvorsprung gegenüber den Eltern haben, wurde über das Gärtnern die Autorität der Eltern teilweise gestärkt, da sie wussten, wie die Pflanzen zu behandeln waren.
Der öffentliche Obstgarten ist ein Versuch, die urbane Bevölkerung für Obst zu gewinnen. Ob es gelingt, wird sich zeigen.
Am Nachmittag wurde ein touristisch-historischer Teil durchgeführt. Vom Kibbuz Sede Boker aus, in dem der Staatsgründer Ben Gurion teilweise lebte, ging es zu einer Jeepfahrt in die angrenzende Wüste, die jener Mann so verehrte. Die Wüste Negev ist hier ein Naturpark, bestehend aus Gestein, Gips und etwas Sand. In ihr kann an ausgewiesenen Stellen gecampt werden, um Stille und Klarheit der Nacht zu genießen. Das Farbspiel von Sonne und Gesteinsformationen hatte eine eigene Ausstrahlung.
Freitag, 11.11.
Der Morgen begann mit einer kurzen Schulung zum Thema Kibbuz. Kibbuze waren ursprünglich Gemeinschaften, die sich dem sozialistischen Gedanken verpflichtet fühlten. Die Bewohner erarbeiteten in der Landwirtschaft das Notwendige zum Leben. Allen gehörte alles. In der ersten Phase ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bewirtschafteten sie gekaufte oder gepachtete Flächen. Mit sehr viel Engagement und Entbehrungen machten sie brachliegende Flächen ur- und nutzbar. ...Nach der Unabhängigkeit Israels wurden auch Kibbuze so angelegt, dass sie als erste Verteidigungsbastionen gegen arabische Feinde dienten.
Der Kibbuz Mashabei Sade, in dem übernachtet wurde, war 1980 gegründet worden, um die Wanderungsbewegungen der Beduinen in der Wüste Negev einzuschränken und sie zur Sesshaftigkeit zu bewegen. Ackerflächen konnten nicht mehr von Beduinen vorübergehend genutzt werden. Dieser Kibbuz geriet ca. 2007 in finanzielle Schwierigkeiten, so dass die rein landwirtschaftliche Ausrichtung mit dem sozialistischen Gedanken aufgegeben wurde. Die verbliebenen 25 Kibbuzbewohner begründeten eine Genossenschaft und erweiterten ihren Landwirtschaftsbetrieb um einen Hotelbetrieb. Hinzu kommt, dass heute jeder sein eigenes Konto besitzt, aber auch nicht jeder in dem Kibbuz arbeiten muss. Nach einem Probejahr werden die neuen Mitglieder aufgenommen oder abgewiesen. Heute gibt es ca. 100 Mitglieder in dem Kibbuz.
Vom Kibbuz ging es nach Rahat, einer Stadt, in der die Beduinen eine Heimat finden sollen. Rahat ist nicht die einzige, aber die erste und größte. Der Bürgermeister von Rahat stieg zu und erklärte uns auf einer Stadtrundfahrt die Geschichte, Gegenwart und Zukunft seiner Stadt....Waren früher 250 000 Beduinen in Wellblechhütten auf der Wanderschaft, so sind es heute noch 70 000, die nach alter Tradition auf dem Land leben. Auf dem städtischen Grund gibt es noch 25 Siedlungen, wobei die Kinder bereits zur Schule gehen...Derzeit leben noch ca. 45 000 Beduinen als Nomaden, doch auch für sie versucht die Regierung ansprechende Lösungen zu finden.
Von Rahat ging es weiter zur Festung Massada, der großen Festung des König Herodes. Als geschichtsträchtiger Ort gilt die Festung, da nach einem jüdischen Aufstand gegen die Römer im 1. Jahrhundert die Zeloten sich auf die Festung zurückzogen... Drei Jahre belagerten die Römer die Festung und ließen in der Zeit eine riesige Rampe von jüdischen Gefangenen bauen. Als sie am Ende die Festung einnahmen, fanden sie nur noch Tote, die sich zum ersten bekannten Massenselbstmord verabredet hatten...
Am späten Nachmittag wurde auf dem Weg zum See Genezareth ein Badestop am Toten Meer eingelegt. Anschließend ging es im Dunkeln im Kibbuz Nof Ginosar zum festlichen Abendessen (Sabbat) und zur Übernachtung.
Sonnabend, 12.11.
Am Sonnabend wurde zunächst die Kirche der Seligpreisung aufgesucht. Ein herrlicher Ausblick auf den See Genezareth. Bei der anschließenden Bootsfahrt konnte man eine Stille erleben, gut für eine Andacht.
Dann wurde ein Zwischenstopp in dem Kibbuz Hokuk eingelegt, um mit einer Nachfahrin von Kibbuzgründern über die Entwicklung der Kibbuze zu sprechen. … verbrachte ihre Kindheit und Jugend im Kibbuz und verließ ihn zum Studium. ... Als sie Mutter wurde, kehrte sie mit ihrem Ehemannn in den Kibbuz zurück. Sie wollte ihren Kindern eine ähnliche Geborgenheit geben, wie sie sie im Kibbuz erfahren hat. So war die Erziehung der Kinder früher durch Kinderhäuser eher freier und offener, mit Ausflügen in die Natur. Doch die geringe gemeinsame Zeit mit den Eltern wurde von der betroffenen Generation abgelehnt und die Kinderhäuser verloren ihre Bedeutung. Heute gehen die Kinder in unterschiedliche staatliche Schulen, nur die im Kindergartenalter bleiben im Kibbuz. Doch nachmittags kommen alle in den kibbuzeigenen Hort, tauschen sich aus und lernen gemeinsam.
Früher waren die Kibbuze landwirtschaftlich ausgerichtet, heute arbeiten die wenigsten Kibbuzbewohner noch in der Landwirtschaft, es gibt bessere Einkommensmöglichkeiten. Diejenigen, die hier ihr Geld verdienen, sind Araber oder sie arbeiten in sozialen Berufen oder an leitender Position. Gab es früher ca. 100 Aktivisten, so sind es heute 350 Mitglieder. Auch arabisch-jüdische Familien können hier leben. Alle leben in einer finanziellen Unabhängigkeit, haben ihre Berufe, vielleicht im Kibbuz oder außerhalb... Auf diese Art geht nun der Kibbuz in eine dritte Entwicklungsphase zu einer stärkeren Individualisierung.
Anschließend ging es auf den Golan. ... Die Situation auf dem Golan ist von dem Wechsel von syrische in israelische Herrschaft dominiert. Im Jom-Kippur-Krieg gab es hier die höchsten Verluste. Die Drusen, von denen ca. 25 000 in Israel leben, waren in diesem Krieg loyal zu Israel. ... Auf dem Golan wird sehr viel Obst angebaut, das die Drusen sehr wohlhabend gemacht hat. ... Da die drusische Religion eine „geheime“ Religion ist, deren Schrift nur eingeweihte Drusen lesen dürfen, war vieles nur vom Hörensagen erlaubt oder verboten. Das führt natürlich zum Hinterfragen der Regeln und festgelegten Bräuche.
Zum Abschluss des Besuches auf dem Golan wurde noch ein Blick von einem Aussichtspunkt auf das syrische alte, unbewohnte Kuneitra und das neue Kuneitra geworfen. ... Die Lage wirkte ruhig, aber dennoch gespannt, weil die alten Stellungen aus den Kriegen für die Besucher begehbar gemacht worden sind. Da nützte auch die Errichtung des Coffee Annan (Sprachspiel: übersetzt „Kaffee/Café im Himmel“ oder Anspielung auf den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Anan) nicht viel.
Sonntag,13.11.
Auf ging es nach Kapernaum, einem Ort am See Genezareth, in dem Jesus stark wirkte, aus dem Simon Petrus stammte. Die Ausgrabungen konnten mit Hilfe der Reisebegleitung ein wenig von der Lage und dem Leben in der damaligen Zeit verständlich machen. Zentrales Gebäude war eine Synagoge, denn Jesus war Jude. Auch hier gab es den touristischen Rummel, den die Christen im Land verursachen.
Von Kapernaum ging es nach Safed, der höchstgelegen Stadt Israels (840 m). Aus dieser Stadt stammt Abu Abbas. Sie entwickelte sich zum einen zu einer Stadt mit vielen Künstlern. Ebenfalls wichtig ist die Synagogenreform des Rabbi Ashkenasi, der hierher kam und wirkte. Saßen die Besucher in einer Synagoge kreisförmig in mehreren Reihen an den Außenwänden, so veränderte Ashkenazi die Sitzordnung und richtete sie in Reihen zum Thoraschrein aus. Aber auch in der Auslegung der Religionsregeln wurden Weiterentwicklungen vorgenommen.
Von Safed ging es hinunter an die Küste zur alten Hafen- und Kreuzfahrerstadt Akko. Die Altstadt ist auf den Hallen der Kreuzfahrer des 11. und 12. Jahrhunderts aufgebaut. Diese Hallen dienten dem Johanniterorden als Unterbringung für gestrandete, kranke und verletzte Christen. Die gewaltigen Ausgrabungen und folgerichtig die riesigen Räume sind beeindruckende Denkmäler, die nicht zu Unrecht als Weltkulturerbe anerkannt wurden.
Von Akko ging es am späten Nachmittag nach Nes Ammim, einer kibbuzartigen, christlichen Gemeinschaft. Zur Anlage und zur Geschichte später mehr. In Nes Ammim trafen wir am Abend Dr. …, einen muslimischen Lehrer, der … mit der Einrichtung intensiv zusammenarbeitet und eines der Mitglieder des Center of Learning Dialog (CLD) ist. Bis vor zwei Jahren wohnte er in einem benachbarten arabischen Dorf, heute lebt er in einer Neubausiedlung, die von Nes Ammim mit einem Bauunternehmer gemeinsam entwickelt wurde und deren Häuser anschließend an arabische und jüdische Israelis verkauft wurden... Zu seiner Wohnsituation erklärt Dr. …, dass eigentlich geplant war, in dieser Siedlung eine Durchmischung von 50 zu 50 zu erreichen. Aber von den 90 Häusern sind nur fünf an arabische Familien gegangen. Auf die Frage, warum die Verwaltung von Nes Ammim nicht gegengesteuert habe, antwortet er, dass der Preis für ein Haus ca. 350 000 € betrug. Außerdem wollte der Bauunternehmer, dass es eine gute Wertsteigerung geben sollte, inzwischen werden diese Häuser auf 500 000 € taxiert Zu viele arabische Bewohner würden diese Wertsteigerung mindern. Jedoch werden für einen neuen Bauabschnitt preiswertere Häuser geplant....Doch sie feiern gemeinsam die hohen Feste der Religionen, z. B. Rosh Haschana oder das Opferfest.
Auf die Frage, was seinen Optimismus so stark macht, antwortet er, dass er bei den Israelis wie bei den Arabern ein verstärktes Interesse feststellt, die Gegenseite kennenzulernen. Von offiziellen Stellen wird das Siedlungsvorhaben unterstützt. Für ein geplantes arabisch-jüdisches Kinder-Sommercamp im kommenden Sommer, abgehalten in englischer Sprache, werden immer noch neutrale Volontäre gesucht, vielleicht gibt es Bewerber aus Berlin.
Montag, 14.11.
Der Tag beginnt mit einer Führung von Dr. … durch die Siedlung Nes Ammim. In einem kleinen Museum erklärt er an einem Zeitstrahl die Gründung von Nes Ammim Anfang der 60er Jahre durch Niederländer und Schweizer. Sie wollten die Unkenntnis über das jüdische Leben durchbrechen und im Land der Juden eine Begegnungsstätte für junge europäische Christen und Juden errichten, sie kauften dazu ein Grundstück von 1 Million m² für einen Betrag von 1 Million € von einem Vorsteher einer arabischen Großfamilie ab. ... Die Ausrichtung war ganz klar eine Begegnungsstätte, in der auch landwirtschaftlich gearbeitet wurde. Es begann mit einer Rosenzucht und für den Baubereich mit einer Tischlerei. In den 70ern zogen sich die Schweizer zurück und die ersten Deutschen kamen nach Nes Ammim... Beim Rundgang ging es an den Unterkünften für Volontäre vorbei zum Haus der Gebete, ein Gebäude, das für alle monotheistischen Religionen errichtet worden war, was durch eine Skulptur im Eingangsbereich anschaulich dargestellt wurde. Mit einem kräftigem „Laudate Dominum“ wurde der Besuch abgeschlossen.
Von Nes Ammim ging es nach Haifa zur Leo Baeck Schule. Empfangen von Frau … wurde die Leo Baeck Gesellschaft und ihr Hintergrund und Werdegang erläutert. ... Der Berliner Rabbiner Leo Baeck war als säkulärer Jude weltoffen und vertrat Humanismus und Pluralität. Ein Schüler von Leo Baeck, Rabbiner Elk, gründete 1938 die Schule. Heute besuchen 2.500 Schüler die Einrichtung vom Vorschulalter bis zum Ende der High School, was z.B. bis zum 21. Lebensjahr dauern kann, beispielsweise für autistische Kinder. In dieser Schule gibt es ein Programm „Friends for ever“, das von Amerikanern organisiert wird. Es verläuft auf drei Stufen und bringt jüdische und arabische Kinder aus Haifa zusammen...
Auch Herr …, ein alter Straßburger, begeisterte, als er von seiner Tätigkeit in der Gemeinde berichtete. In einer gemischten Nachbarschaft, die so nur in Haifa existiert, leitet er ein Zentrum, in dem viele überreligiöse Veranstaltungen durchgeführt und Einrichtungen betrieben werden. So gibt es einen Kindergarten für alle Kinder, Clubs und Gesprächskreise für Erwachsene, auch nach Geschlecht getrennt. Die Gemeindemitglieder bringen sich ein. So feiern sie alle hohen Feiertage in ihrer Gemeinde mit den jeweiligen traditionellen Gebräuchen. Aus ganz Israel kommen Menschen zu ihnen, um zu erfahren, wie dieses Zusammenleben funktioniert, selbst Geistliche.
Haifa ist die Industriestadt Israels. Im Einzugsgebiet leben über 400 000 Menschen. Haifa selbst zählt 240 000 Menschen, davon sind 40 000 arabische Einwohner, die früher die Mehrheit stellten. 2/3 der Araber sind Christen in den verschiedensten Ausrichtungen. Waren ursprünglich die Araber die Mehrheit, so sind es heute die Juden.
Dienstag, 15.11.
An diesem Tag stand nur ein Termin auf dem Programm, doch der hatte es in sich. Wir besuchten Givat Haviva, eine Begegnungsstätte in Israel nahe den besetzten Gebieten. Dort wurden wir empfangen von …. Um ihre Beweggründe zu verstehen, diese Begegnungsstätte zu betreiben, muss man ihr eigenes Schicksal kennen und die damit verbundenen Brüche in Ihrem Leben. Geboren 1946 in Wales, kam sie Mitte der 60er des vergangenen Jahrhunderts nach Israel. Auf Grund ihres Namens wurde sie bereits in Wales als einzige Jüdin im Ort in der Schule von der Religionslehrerin gemobbt: „Sag, warum hat dein jüdisches Volk unseren lieben Herrn Jesus ermordet?“ Spätestens da, im Alter von 8 Jahren, war sie die Außenseiterin. Ihr Name ... hatte den Mitschülern und Lehrern kundgetan, dass sie jüdisch war. Als sie in London versuchte Wohnung und Arbeit zu finden wurde sie mehrmals abgelehnt. Denn auch in Großbritannien wurden Juden diskriminiert: „Keine Vermietung an Juden, Schwarze oder Hunde“ war bis zur Verabschiedung des Antidiskriminierungsgesetzes zu Anfang der 60er Jahre ohne Bedenken und auch straffrei möglich. So etwas aus den Köpfen zu bekommen dauert Jahre.
Sie erläuterte die Namensgebung des Ortes, nach Haviva Reik, und zeigte auch hier ihren besonderen Humor, als sie den Begriff Givat in Hügel übersetzte. „Juden haben mitunter die Neigung zu übertreiben. Wenn dies ein Hügel ist, bin ich eine Primaballerina“. ... Als Mutter … ist sie dennoch davon überzeugt, dass ein Frieden nur in einer Gesellschaft von gegenseitigem Respekt erreicht werden kann. Die Kinder halten sie für eine alte Hippie-Dame, aber es sind halt ihre Kinder und sie hängt an ihnen. Givat Haviva arbeitet mit der US-amerikanischen Jugendorganisation Habonim Dror zusammen
Damit der Frieden eine größere Chance bekommt, werden hierher arabische, jüdische, aber auch andere Gruppen aus dem In- und Ausland eingeladen. Sie werden hier u.a. nach der High School, vor dem Beginn einer Ausbildung zu Gruppenleiterinnen und -leitern ausgebildet. Dafür nimmt man sich, auf einem ehemaligen Stützpunkt, bis zu einem Jahr Zeit.
Aber auch für ein Zusammenleben in den Schulen wird hier gestritten. In vorgeschalteten Zwei-Tages-Kursen werden Schulklassen vorbereitet, dann kommen sie für einen Wochenkurs hierher und werden zu gemeinschaftlichem Leben eingeladen. Dabei wird für das Recht und das Verständnis jeder Gemeinschaft gestritten. Sie sollen einen respektvollen Umgang miteinander erlernen, ohne ihre Identität zu verlieren, eine Identität, die die arabischen Einwohner erst mit der Übernahme des englischen Begriffs „Palastine (Palästina)“ für sich entwickelten. Jeder hat sein Recht und deshalb muss man reden lassen und zuhören. Ein Denken in Schwarz und Weiß, den einfachen Lösungen, gilt es zu überwinden, um die verschiedenen Grautöne des Lebens zu verstehen...
Mittwoch, 16.11.
Beim Besuch der deutschen Botschaft umriss der Botschafter Dr. Clemens von Goetze die Lage und beschrieb das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland. Auf vielen Arbeitsfeldern seien die Beziehungen gut, manchmal geradezu optimal. Im Bereich der Wirtschaft gab es vielleicht gerade einen kleinen Einbruch, aber er sieht auch hier eine Zunahme der Geschäftstätigkeiten. Gerade israelische Star-ups und deutsche Firmen gehen vermehrt gemeinsame Wege.
Das Verhältnis Israels zur EU gestaltet sich etwas schwieriger. Hier wirkt die völkerrechtliche Betrachtung sehr stark nach, die davon ausgeht, dass das Westjordanland/Westbank kein israelisches Staatsgebiet ist. Weder wurde dieses Land im Rahmen einer UN-Maßnahme an Israel übergeben oder zugesprochen, noch haben sich die Einwohner für Israel entschieden. Die Haltung zur Produktkennzeichnung ist kein Boykott. Die davon betroffenen Waren, im allgemeinen Obst und Gemüse oder Wein, können weiter in die EU importiert werden, jedoch muss in diesen Fällen die Herkunft genauer bezeichnet werden. Die Westbank ist nun einmal völkerrechtlich betrachtet nicht Israel. Zudem gibt es innerhalb der EU immer mehr Länder, die die Haltung Israels zur Zwei-Staaten-Lösung so nicht akzeptieren. Der Ministerpräsident nennt diese Lösung Regierungsposition, doch seine eigenen Kabinettsmitglieder wollen von einer derartigen Haltung nichts wissen und widersprechen jeglichen Lösungsvorschlägen.
Die BRD versucht in Gaza an Infrastrukturmaßnahmen wie Wasserver- und –entsorgung mitzuwirken, so wie sie auch versucht, Israel dahin zu bewegen, mehr Transportkapazitäten über die israelischen Grenzübergänge zuzulassen. Die Haltung Israels zu den palästinensischen Gruppierungen ist sehr different.
Von der Hamas sieht er im Moment keine direkte Gefährdung Israels. Seit zwei Jahren kommt es im Süden nicht mehr zu größeren Kampfhandlungen. Ab und zu kommt zwar eine Rakete auf israelische Ortschaften, aber die seien von Splittergruppen gezündet worden, und Israel reagiert entsprechend darauf. Gefährlicher sieht er die Lage im Norden. Zwar ist die Hisbollah derzeit in Syrien in die Kämpfe verwickelt, jedoch besitzt die Hisbollah ein recht umfangreiches Raketenarsenal, das Israel substantiell gefährden kann. Weiterhin erwerben die Rebellen der Hisbollah Erfahrung, was sie kampferprobter und somit gefährlicher macht. Auch wenn Deutschland die Kampfgruppen der Hisbollah als Terrorgruppe eingestuft hat, kann man an der politischen Realität nicht vorbei und muss das Gespräch mit politisch Handelnden suchen.
Durch die Hisbollah hat Iran direkten Einfluss auf den Krieg, ohne selber aktiv teilzunehmen. Der Einfluss des Iran auf die Hisbollah ist so immens, dass diese Gruppe ohne die Hilfe nicht überleben könnte....
Die Bundesrepublik unterstützt die inner-israelischen Friedensbemühungen nicht direkt, sondern eher durch die verschiedenen politischen Stiftungen. Givat Haviva wird z. B. von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert.
Persönliches Resümee:
Israel ist kein Tigerstaat mehr. Israel ist eine Wirtschaftsnation, die im Begriff ist, ständig und stetig zu wachsen. Überall im Land wird gebaut, nicht nur in Rahat, nicht nur Gebäude, auch Straßen und Schienen. Derzeit hat sich in Israel eine brüchige Ruhe eingestellt, da äußere Bedrohungen im Moment nicht zu erwarten sind. Das, was die Europäer an Attentaten zu hören bekommen, ist immer und überall eine Besonderheit, Nachrichten, die sich verkaufen lassen. Die wöchentlichen bis monatlichen Raketenangriffe aus Gaza sind zu regelmäßig, ihre Folgen kosten selten Menschenleben.
Doch wehe, der Konflikt im Norden ist ausgestanden und die Hisbollah kann sich wieder dem alten Feind zuwenden. Ob Russland ein Stabilisierungsfaktor im Nahen Osten sein kann, wage ich zu bezweifeln. Dennoch gibt es auch aus Russland viele Touristen, die das gelobte Land besuchen. Der Christus-Tourismus ist für Israel wie auch die Palästinenser eine gute Einnahmequelle. Vor drei Jahren war diese Art Reise vier Tage länger bei gleichem Preis. Auf diese Einnahmen zu verzichten, würde viele Menschen in die Arbeitslosigkeit schicken, Hotel- und Gastgewerbe, Fremdenführer, Busfahrer und Flugplatzmitarbeiter, aber auch Mitarbeiter an den heiligen Stätten. Arbeitsplätze werden gesucht, sowohl für Frauen als auch für Männer, Rahat ist nur ein Beispiel.
Die Zeit und die antisemitische Haltung überall in der Welt lassen Israel wachsen. Gibt es Juden, die in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, kommen sie nach Israel. Aus Äthiopien oder Frankreich oder früher Russland.
Die Tatsache, dass arabische Israelis nicht in einem Staat Palästina leben wollen, spricht für sich. Die drittgrößte Fraktion in der Knesset, dem israelischen Parlament, ist die der Araber. Die Organisation der palästinensischen Gebiete liegt verwaltungsbezogen zum großen Teil in den Händen der Palästinenser, auch die Wasserverteilung. Die Wassergewinnung wird aber von den Israelis und den Palästinensern kontrolliert: Zuständig ist die Israelisch-Palästinensische-Wasser-versorgungs-Gruppe (JWC). Und hier tritt wieder ein altes Problem auf: Zusammenarbeiten muss man wollen. Sich in eine Rolle der Verantwortung zu begeben, kann eventuell auf Normalisierung hinweisen, und das ist für Palästinenser nicht erlaubt. In manchen Regionen gibt es Klagen, in manchen wenige bis keine.
Aber das Wasser, das die meisten Menschen trinken wollen, wird in Plastikflaschen verkauft, jeder Busfahrer macht damit sein kleines Geschäft. Sehr viel Wasser wird durch Meerwasserentsalzung gewonnen. Die dafür notwendige Energie erhält Israel aus eigenen Erdgasvorkommen unter dem Mittelmeer.
Da in Israel das Schmutzwasser kostenlos geklärt wird, kann das Klarwasser für die Landwirtschaft gegen Gebühr/Kostenbeitrag genutzt werden. Das Thema Wasserverteilung und Verteilungsgerechtigkeit wird dauerhaft ein Thema bleiben, solange der Staat Palästina nicht existiert. Mit der Haltung „alles oder nichts“ werden beide Seiten nicht zur Ruhe kommen. Mag sein, dass ich einen großen Knall nicht mehr erlebe, jedoch leben die Palästinenser bereits über 70 Jahre in verschiedenen Flüchtlingslagern und bereiten sich intern immer wieder darauf vor: irgendwann, eines Tages in Jerusalem.
Für mich bezeichnend ist das Aufblühen des Landes in der ruhigen Phase. Alles geht seinen Weg, so wie in Deutschland oder anderen europäischen Staaten. Es gibt innenpolitische Aufgaben, die die Regierung löst und damit neue Fakten schafft. Jedoch sind das Sicherheitsempfinden und die Sicherheitspolitik stärker in der Gesellschaft verankert. „Da gehen in Brüssel Terroristen mit Kofferbomben in das Flughafengebäude, sprengen sich in die Luft und in Rest-Europa werden die Kontrollen nicht erhöht? Wie kann das sein?“ fragte uns der Siedler Joop Watermans. Bezeichnend ist das subjektive Sicherheitsgefühl, das in Israel größer ist als in Europa, wie mir verschiedene Israel-Reisende berichteten.
Auch die Sonne und die Wärme lassen es in Israel angenehmer sein als in Europa. Dieses Wetter und diese fünf Klimazonen erzeugen eine Haltung bei den Menschen von alltäglichem Urlaub, der zwischendurch von Arbeit und anderen Querelen unterbrochen wird, oder anders: Arbeiten und Leben in einer Atmosphäre der Entspannung, die für jede und jeden nach dem Alltäglichen am Abend auf seine Bewohner wartet, auch in dem Bewusstsein keine garantierte
Ruhe oder Frieden zu besitzen, dass sich alles schnell verändern kann.
im November 2016
Runold Jacobskötter